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News 27.04.2023 | Elisabethenwerk – Not – Solidarität

Was das Elisabethenwerk in Uganda erreichte

In seinem 65-jährigen Engagement unterstützte das Elisabethenwerk Projekte in verschiedensten Ländern. Nach und nach konzentrierte sich das Solidaritätswerk auf weniger Länder, um dort mehr in die Tiefe zu gehen und ein konsistentes Programm aufzubauen. Mit lokalen Beraterinnen fördert die Entwicklungszusammenarbeit die ärmsten Frauen in diesen Regionen nach dem Motto «von Frauen – für Frauen».

Eines der langjährigen Schwerpunktländer ist Uganda. Das Land in Afrikas Osten hat eine sehr junge Bevölkerung, rund die Hälfte ist jünger als 15 Jahre. Sehr viele schliessen die Schule nicht ab. Elisa Moos begleitete die Projekte in Uganda seit 2005. Mit unzähligen Initiativen konnte sie das Leben von vielen Frauen verbessern. Anlässlich ihrer Pensionierung blickt sie auf 18 Jahre Entwicklungsarbeit in Uganda zurück und berichtet, wie auf ihre Initiative die dortige Projektarbeit neu konzipiert wurde.

 

Wie ein neues Konzept entstand

Im Jahr 2008 diskutierten unsere damalige lokale Beraterin, Apollonia Mugumbya, und ich über die grosse Verschuldung der ärmsten Bevölkerungsschichten und die Gründe dafür. Zur Diskriminierung auf allen Ebenen und mangelnder Bildung kamen Kreditverzinsungen von 45 bis 50 Prozent durch Banken und Geldverleiher:innen. Ausgerechnet die Bäuerinnen waren oft auf Kredite angewiesen: fiel eine Regenzeit aus, was immer häufiger vorkam, assen sie notgedrungen das Saatgut. Nur mit geliehenem Geld war es möglich, neues Saatgut zu kaufen. Bis sie die Kredite mit den Ernteerträgen zurückzahlen konnten, wuchs die Schuld wegen der hohen Zinsen so stark an, dass sie noch mehr Kredite beantragen mussten – ein Teufelskreis.

Von Damaris Lüthi, der Programmverantwortlichen für Indien und Sri Lanka, erfuhr ich, dass die Fastenaktion in verschiedenen Ländern mit Spar- und Kreditgruppen arbeitete.

Auf einer Projektreise nach Madagaskar konnte ich ihr dortiges Spar- und Kreditprogramm besichtigen. Wir besuchten Spar- und Kreditgruppen und tauschten uns mit dem engagierten Team aus.

Abends diskutieren Apollonia und ich, wie wir die Programmidee umsetzen könnten. Beide waren wir überzeugt, dass ein solches Spar- und Kreditprogramm auch den Frauen in Uganda ein besseres Leben ermöglichen würde. Am Ende der Studienwoche hatten wir die Grundlagen für ein realistisches Konzept und das Bestreben, möglichst bald in allen Projektgebieten Ugandas umsetzen.

Dieses Programm nannten wir Ugandan Partnership of Women for Self Help Development (Ugandische Frauenpartnerschaft für Entwicklung durch Selbsthilfe), kurz UPWOSED.

Unsere Projektkommission genehmigte vorerst zwei Regionen. Wir wählten Mukono, nahe von der Hauptstadt Kampala und Kasese, im Westen Ugandas, an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo.

Voller Enthusiasmus trat Elisa Moos 2005 ihre Stelle als Programmverantwortliche des Elisabethenwerks für Afrika und Lateinamerika an. Es waren viele Länder, die zu ihrem Verantwortlichkeitsbereich gehörten: Bolivien, Peru, Nicaragua und Guatemala sowie Uganda, Kenia und Tansania. Rund 500 Projektanfragen trafen zu Beginn jährlich beim Elisabethenwerk ein. Alle mussten registriert und bearbeitet werden. Die verfügbaren Mittel erlaubten rund 30 bis 35 Projekte, die von der Projektkommission  geprüft und gutgeheissen wurden. Diese Projekte begleitete sie in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Beraterinnen, und berichte den Spender:innen über die Fortschritte. Nach 18 Jahren geht Elisa Moos in den Ruhestand. 

Jedes Baby braucht viel Zuwendung. Auch das neue Projekt in unseren Köpfen.

Das Elisabethenwerk finanziert die Schulung von Regionalkoordinatorinnen und Animatorinnen. Die Regionalkoordinatorinnen sind zuständig für die Koordination und Beratung der Animatorinnen in einer Region. Die Animatorinnen besuchen nach Rücksprache mit den Dorfverantwortlichen die meistbenachteiligten Frauen und laden sie zu einem Treffen ein. In der ersten Sitzung analysieren sie gemeinsam die Situation der Anwesenden, insbesondere die Gründe für ihre wachsende Armut. Sie zeigen eine mögliche Lösung auf, das Spar- und Kreditprogramm.

Die interessierten Frauen bildet eine Gruppe von 12 bis 25 Mitgliedern und halten wöchentliche Treffen ab. Künftig bringen sie den Betrag mit, den diejenige Frau als Sparbeitrag erübrigen kann, welche am wenigsten zur Verfügung hat.

Schon nach wenigen Sitzungen kann der erste kleine Kredit vergeben werden, mit sehr tiefem Zins. Die Gruppe entscheidet gemeinsam, wer den Kredit erhält. Wenn das Kapital etwas angewachsen ist, kann die Gruppe ein gemeinsames Projekt aufbauen und damit den Sparbeitrag etwas tiefer halten.

Sobald die Gruppe in der Gemeinde registriert und stabil ist, kann sie in einen Zusammenschluss einiger Spar- und Kreditgruppen integriert werden. Die Delegierten in diesem Cluster diskutieren allfällige Schwierigkeiten in den Gruppen und schauen über den Tellerrand hinaus, indem sie sich fragen: Was fehlt in unserer Gemeinde, welche Bedürfnisse gibt es, bei deren Deckung wir behilflich sein können? Ihre Ideen legen sie den Dorfverantwortlichen dar und setzen sie um.

Dies gibt ihnen einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Gemeinde. Wenn es unterstützende Regierungsprogramme oder Angebote von Hilfswerken, haben sie gute Chancen, berücksichtigt zu werden.

Die Animatorinnen erhalten vier bis fünf Schulungen im Jahr, welche aufgrund der Bedürfnisse in den Spar- und Kreditgruppen gewählt werden. Sie sind verpflichtet, den Gruppen das Gelernte weiter zu vermitteln. Mehrheitlich sind es Schulungen für die Herstellung von Produkten, aber auch marktwirtschaftliches Grundwissen, der Kampf gegen häusliche Gewalt, Hygiene oder gesunde Ernährung können Inhalte sein.

Im Februar 2010 führten wir in Kasese den ersten Workshop für die beiden Regionen durch, nachdem die erforderlichen Prozesse aufgegleist waren. Für mich als einzige Schweizerin war es ein unvergessliches und lehrreiches Erlebnis. Eine Anekdote daraus: Apollonia Mugumbya und Teo Kasajja, unsere beiden lokalen Beraterinnen, hatten aus den beiden Regionen Mukono und Kasese ein Team für die Programmarbeit zusammengestellt. Der Beginn des Workshops war auf neun Uhr morgens angesetzt; der Weg zum Kursort dauerte rund 10 Minuten. Der Raum war noch nicht eingerichtet. Als ich um 7.30 Uhr zum Frühstück gehen wollte, war alles ruhig. Auf einer Bank im Essraum schlief ein Nachtwächter, weder das Hotelpersonal noch die beiden lokalen Beraterinnen waren anwesend. Um 8.30 Uhr klopfte ich langsam nervös bei unseren Beraterinnen. Wir hätten noch viel Zeit, meinten beide, die Teilnehmerinnen träfen frühestens um 10 Uhr. Mit dem Workshop begannen wir schliesslich gegen 12 Uhr.

Künftige Animatorinnen üben die Gesprächsführung.

Rund 30 Personen waren dabei, davon etwa die Hälfte Männer. Bis auf zwei schickten wir diese weg, schliesslich ist das Programm für Frauen vorgesehen. Einer der beiden verbleibenden Männer, Lule Moses, erwies sich beim gesamten Workshop als sehr hilfreich: Er übersetzte alle Vorträge und Gespräche in die lokalen Sprachen und zurück und sorgte dafür, dass die Teilnehmer:innen die Inhalte verstanden. 

Der dreitägige Workshop bot die Gelegenheit, die Theorie detailliert zu besprechen und die Gesprächsführung mit Dorfverantwortlichen zu üben. Sie lernten, wie sie in den Gemeinden vorgehen müssen, um die meistbenachteiligten Frauen zu finden und zu besuchen. Auch wie ein Erstgespräch mit Frauen geführt werden kann, sodass sie Interesse an der Mitwirkung in einer Spar- und Kreditgruppe bekommen. Sie erarbeiteten zusammen den sogenannten «Problembaum», mit dem sie Problem analysierten und mögliche Lösungen suchten.

Pro Region starteten mit sechs Animatorinnen. Schon 2011 wurde die Anzahl auf acht pro Region aufgestockt. Gleichzeitig kam die Region Amuria (nordöstlich von Kampala gelegen) hinzu. Dort gab es Probleme zwischen dem Leiter eines unserer unterstützten Projekte und den begünstigten Frauen. Durch den Start als weitere UPWOSED-Region konnten die Frauen besser unterstützt werden.

Zu Beginn wanderten viele Frauen im Gebiet Mukono, die zuvor Interesse an UPWOSED gezeigt hatten, wieder ab, weil Kreditgeber sie mit schnellem Geld lockten. Allerdings kamen sie nach einiger Zeit wieder zurück, weil sie sahen, wohin diese teuren Zinsen geführt hatten: Wer den Kredit nicht rechtzeitig zurückzahlte, musste ins Gefängnis.

Eine Evaluation im Jahr 2012 stellte dem Programm in Uganda ein recht gutes Zeugnis aus. Es schlug vor, Ernährung, Gesundheit, Bildung noch stärker ins Zentrum zu rücken und der wöchentliche Sparbeitrag der Mitglieder solle flexibler gestaltet werden, damit alle Mitglieder dabeibleiben können, ohne in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten.

Als Animatorinnen das Gefühl hatten, ihren Lohn auch ohne Arbeit zu erhalten, mussten Kündigungen ausgesprochen werden. Ein Bonussystem wurde erreichtet, um die Gründung neuer Gruppen zu belohnen. 

Treffen eines Clusters in Kasese anlässlich der Evaluation durch John Cabalzar.
Zum Auftakt des nationalen Treffens in Amuria präsentierte jede Region Szenen aus ihrer Arbeit.

Es zeigte sich immer klarer, dass UPWOSED mit Schulungen in verschiedensten Lebensbereichen und mit den Spar- und Kredittätigkeiten den Teufelskreis der Armut durchbrechen und in einen Engelskreis zu verwandeln vermag.

In der Region Hoima hatten wir bereits eine verlässliche Partnerorganisation. Hier lernen die Begünstigten Taschen herzustellen.

Sukzessive wurden weitere Regionen aufgebaut: Katawaki, weil eine Animatorin nach einem Schlüsselbeinbruch mit ihren Kindern in ihre Heimatregion zu ihren Eltern zurückzog. Ihr Mann hatte sie weggejagt, da sie nach der Operation kein Gewicht mehr heben konnte. So konnte sie ihr Wissen dort weiter einbringen.

2020 folgten Hoima im Nordwesten und Masaka, gegen Süden.  In beiden Regionen hatten wir verlässliche Partnerorganisationen, welche bereit waren, für UPWOSED geeignete Animatorinnen und eine Regionalkoordinatorin zu suchen.

Die neue lokale Beraterin und Nationalkoordinatorin fand jedoch den Zugang nicht und wurde von den bisherigen Mitarbeiter:innen abgelehnt. Die Missstimmung war so gross, dass eine neue Lösung gefunden werden musste.

Als Alternative konnten wir Lule Moses, der bereits beim ersten Workshop so hilfreich war und zwischenzeitlich Regionalkoordinator wurde, mit der Nationalkoordination betrauen. Mit seiner zugänglichen und offenen Art geniesst er das Vertrauen aller anderen Mitarbeiter:innen und bringt eine Konstanz in die Abläufe innerhalb von Uganda.

Allein im Jahr 2022 haben die 63 Animatorinnen insgesamt 857 Gruppen mit 14'724 Mitgliedern aufgebaut. Ohne zu übertreiben kann man sagen, dass es ihnen allen besser geht als vorher. Seit Programmbeginn sind es fast 70'000 Mitglieder in 4’200 Gruppen.

Immer stärker ist auch der Zusammenhalt und die Solidarität innerhalb von UPWOSED zu spüren. Als im vergangenen Jahr das Mitglied einer Gruppe wie auch eines der Babysa bei der Zwillingsgeburt das Leben verloren, adoptierte die Gruppe kurzerhand das überlebende Baby und sorgt gemeinsam für das Kind. Als die zuständige Animatorin dies an einem nationalen UPWOSED-Treffen erzählte, sammelten die anwesenden Animatorinnen und Regionalkoordinatorinnen weitere Mittel, damit das Kind besser versorgt werden kann.

Genauso ist es mit den Gruppen und Gruppenverbänden in den Gemeinden: diese schauen über den Tellerrand hinaus und überlegen gemeinsam, was in der Gemeinde verbessert werden könnte. Mit dem Resultat gehen sie zu den Dorfverantwortlichen und bieten ihre Mitarbeit für die Lösung des Problems an. Das kann die Reinigung des Wasserlochs sein, der Bau von Latrinen für Dorfbewohner:innen oder der Bau eines Weges.

Regionalkoordinatorinnen mit dem Nationalkoordinator und den Evaluatorinnen.

2022 erhielt das Elisabethenwerk von der Organisation Fokus Frauen eine massgebliche Spende für eine Aktivität, die wir sonst nicht durchführen könnten. Einen Teil davon setzten wir für eine Evaluation der Strukturen von UPWOSED ein, mit dem Ziel, dass die lokalen Mitarbeiter:innen in Uganda mehr Verantwortung übernehmen. Diese Evaluation wurde von meiner Nachfolgerin Janne Roux durchgeführt. Es ist ein dreifacher Gewinn: sie lernte das Programm kennen und gleichzeitig unsere lokale Beraterin für die anderen Projekte, Hilda Achayo, währenddem sie UPWOSED bereits in eine Richtung einspuren konnte, welche ihrer weiterführenden Arbeit dient.

Es war eine intensive Arbeit, alle Instrumente neu zu gliedern und so festzulegen, dass sie für die Arbeit in der Schweiz hilfreich sind und für die Animatorinnen, die Regionalkoordinatorinnen und für den Nationalkoordinator einfacher zu handhaben sind. Heute bin ich überzeugt, dass damit auf allen Seiten viel Papierarbeit vereinfacht werden kann und die Information gleichzeitig systematischer und klarer wird.

Die Sendung SRF1 «mitenand» zeigt, wie mit Hilfe zur Selbsthilfe in Uganda Frauen gestärkt werden.

Wie eine Frau ihre Lebenssitutation nachhaltig verbessern konnte

Hier wohnte Annet vor ihrem Beitritt zur Spar- und Kreditgruppe. Links im Bild die damalige Regionalkoordinatorin.
... und konnte dank dem Ertrag daraus schon ein Jahr nach Beitritt zur Gruppe ein Backsteinhaus bauen.
Nach einem halben Jahr bei der Gruppe baute sie für sich und ihre Tochter dieses Häuschen mit Wellblechdach.
Sogar mit einem grossem Anbau für das Schlafzimmer…
Sie startete ein Geschäft mit Kaffeesetzlingen…
… und bequemer Einrichtung. Ihrer Tochter wurde es möglich, in Kampala zu studieren.

Die Entwicklung in Zahlen

2010

12 Animatorinnen
Start in 2 Regionen

2014

15 Animatorinnen
171 neue Gruppen
2'825 neue Mitglieder

2022

63 Animatorinnen
857 neue Gruppen
14'724 neue Mitglieder

 

Der SKF dankt Elisa Moos herzlich für ihr langjähriges, wertvolles Engagement und wünscht ihr alles Gute für die Zukunft. Ihre Arbeit wird von Janne Roux fortgesetzt. Die 38-Jährige hat vielseitige Erfahrung in der Entwicklungsarbeit.

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