Instrumentum Laboris – Enttäuschung und Hoffnung
Das sogenannte «Instrumentum laboris» (IL) dient als Ausgangspunkt für die Beratungen der Weltsynode im Oktober 2024 im Vatikan. Die gegenwärtige Herangehensweise, bei der zentrale Themen in Studiengruppen ausgelagert und somit aus der Synode ausgeklammert werden, kann als symptomatisch für eine Verwässerung der Erneuerung angesehen werden. Trotz hölzerner Übersetzung ins Deutsche und dem Fehlen wichtiger Themen gibt das IL auch Grund zu vorsichtiger Hoffnung.
Das Dokument mit dem Titel «Wie wir eine synodale missionarische Kirche sein können» skizziert in 112 Punkten die Vision einer synodalen Kirche. Es ist am 9. Juli vom Vatikan vorgestellt worden. Eine internationale Expert:innengruppe aus Bischöfen, Priestern, geweihten Männern und Frauen, Theolog:innen, Kirchenrechtler:innen, Bibelwissenschaftler:innen und anderen nicht-geweihten Menschen, die am kirchlichen Leben mitwirken, wurde mit der Aufgabe betraut, das IL zu erstellen. Obwohl Frauen 37 Mal und somit (für ein vatikanisches Dokument) überraschend häufig erwähnt werden, geschieht dies meist nur im Rahmen der Aufzählung, wer zum Volk Gottes gehört oder Charismen empfängt.
Sprache ohne Aufbruchsstimmung
Im Vergleich zur Offenheit, der lebendigen Sprache und den eingehenden Fragen des Dokuments der Weltsynode des vergangenen Jahres hinterlässt das neue Dokument einen weniger enthusiastischen Eindruck. Es werden keine weiteren Fragen aufgeworfen, und die Sprache tendiert wieder stärker zum Stil anderer Vatikan-Dokumente, geprägt von langen theologischen Erklärungen und komplexen Formulierungen, die häufig unkonkret und allgemein bleiben. Positiv ist, dass in der deutschen Version zumindest eine gewisse Anstrengung unternommen wird, eine inklusive Sprache zu verwenden, indem sowohl nicht-geweihte Männer und Frauen («Laiinnen und Laien») gleichermassen erwähnt werden. Dennoch bleibt der Eindruck bestehen, dass eine gewisse Unsicherheit über den mutigen Ansatz des Dokuments der letzten Versammlung herrscht.
Der Aufbau des aktuellen IL erschwert es nachzuvollziehen, welche Themen und wie diese in der zweiten Synode behandelt werden sollen. Zwar werden im Dokument konkrete Punkte genannt, die «erörtert» (Nr. 16), «identifiziert» (Nr. 63) oder «gewährleistet» (Nr. 79) werden sollen, doch bleibt unklar, ob es sich hierbei um Tagesordnungspunkte oder um etwas anderes handelt.
Verantwortung, Transparenz und Regionalisierung stärken
Die thematische Offenheit, die das Arbeitsdokument der ersten Synode prägte, fehlt. Zu begrüssen ist der Fokus auf Transparenz, Entscheidungsprozesse, Rechenschaftspflicht und Dezentralisierung. Sollten an der Weltsynode Entscheide zugunsten von mehr Transparenz, Rechenschaftspflicht und Regionalisierung fallen, hätte dies wünschenswerte strukturelle Veränderungen zur Folge.
Die Schweiz als Vorbild
Der Frauenbund ist davon überzeugt ist, dass wir schon heute in der Schweiz an vielen Punkten arbeiten können, die im IL aufgeworfen werden. Zentral hierfür ist eine Dezentralisierung bzw. Regionalisierung, die es den verschiedenen Ortskirchen erlaubt, Wandel und Erneuerung gemäss ihrer Bedürfnisse und in ihrem Tempo anzugehen. Die Partizipation aller Getauften soll in Zukunft durch strukturelle und kirchenrechtliche Reformen nachhaltig gestärkt werden. In der Schweiz geschieht dies bereits unter anderem durch eine Synodalitätskommission. Zu den Hauptaufgaben zählen die Gestaltung des synodalen Prozesses auf der nationalen Ebene und die Auswertung der Erfahrungen. Das neue Gremium wird auf fünf Jahre errichtet und soll Formen der synodalen Entscheidungsfindung auf nationaler Ebene testen. Die Kommission besteht aus Vertreter:innen verschiedener Sprachregionen, Jugend- und Erwachsenenorganisationen, der Migration, Orden, der wissenschaftlichen Theologie und Liturgie sowie aus verschiedenen Bereichen der Pastoral. Die Geschäftsführung der Synodalitätskommission wird beim Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut angesiedelt werden. Der Frauenbund sieht grosses Potenzial in der Arbeit der Kommission und freut sich, dass SKF-Vorstandsfrau Iva Boutellier den SKF in der Kommission repräsentieren wird.
Wichtige Themen in Studiengruppen verbannt
Bedauerlicherweise wurden jedoch wesentliche Themen in «Studiengruppen» ausgelagert, deren Zusammensetzung lediglich als «Pfarrer und Experten» (S. VII) beschrieben wird. Die Aufgabenstellung dieser Gruppen, ihre Arbeitsmethoden und die Art und Weise, wie ihre Ergebnisse behandelt werden, bleiben unklar – dies ist bedauerlicherweise alles andere als synodal. Bei manchen Themen ergibt die Auslagerung Sinn, nämlich dort, wo weitgehend Konsens darüber herrscht, dass und in welche Richtung Änderungen und Reformen (z.B. Lehrpläne der Priesterausbildung Nr. 57) nötig oder wo die Themen sehr komplex sind (z.B. Digitalisierung Nr. 56).
Verwässerung durch Auslagerung
Die Auslagerung der Frage nach dem Zugang zu Weiheämtern ist aus unserer Sicht falsch. Die mit dem Thema verbundenen Fragen müssen in der Synode selbst behandelt werden, auch wenn das ausdrücklich nicht vorgesehen ist. Das Thema Diakonat, insbesondere Frauendiakonat, wird ausgeklammert. Gleichzeitig wird eine «Gleichberechtigung» aller betont, aus der gleichen Taufgnade heraus (ausdrücklich letzter Satz der Nr. 13). Die folgerichtigen Konsequenzen dieser gleichwürdigen Gleichberechtigung werden nicht zu Ende gedacht. Eine umfassende Neubewertung des Diakonats hätte dabei könnte helfen, dessen Potenzial für die Kirche zu erkennen und zu nutzen.
Missbrauch und Queers unerwähnt
Das Thema Missbrauch ist aus dem aktuellen IL nahezu verschwunden; auch die in «irregulären Verhältnissen» lebende Menschen (Anmerkung der Redaktion: Gemeint sind Paare, die unverheiratet zusammenleben, nach einer Scheidung wieder geheiratet haben, oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben).
Entscheidungsmacht bleibt beim Klerus
Die Synodalität beeinflusse nicht die Autorität der «Hirten», da diese Autorität von Christus selbst ausginge (Nr. 8). Dennoch wird im IL betont, dass auch die Hirten eine Umkehr benötigen und das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Reformen haben sollten. Das IL verweist explizit auf die Macht der Amtsträger (Nr. 38), was aufzeigt, dass ihre Rolle und Verantwortung in der Kirche von zentraler Bedeutung bleiben. Trotz der Bemühungen um mehr Synodalität, bleibt das Verständnis des «Hirtenamtes» unverändert. Ihre Entscheidungskompetenz wird als «unantastbar» angesehen (Nr. 70). Die Ausführungen zu Entscheidung, Transparenz und Rechenschaft sind interessant. Es ist klar, dass die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden, entscheidend für die zukünftige Entwicklung einer partizipativen Kirche sein kann. Das bestehende Beharren auf eine «unantastbare» Entscheidungsmacht der «Hirten» stellt jedoch eine Herausforderung dar. Dieses hierarchische Denken behindert die notwendigen Veränderungen und die Einbindung aller gleichwürdig Getauften.
Vielfalt der Regionen
Die Herausforderungen und Bedürfnisse sind in den verschiedenen Ländern und Regionen anders gelagert. Es ist wichtig, diese unterschiedlichen Kontexte zu berücksichtigen und eine globale Perspektive, die die Realität der Regionen berücksichtigt, einzunehmen. Im IL ist die Rede davon, dass Vielfalt keine Bedrohung der Kirche, sondern eine Bereicherung sei. Konkret muss diese Rede dort werden, wo es um die Kompetenzen der Bischöfe und Bischofskonferenzen geht. Diese kennen die Verhältnisse vor Ort am besten und sollen deshalb auch selbst innerhalb eines gegebenen Rahmens Autorität für Reformen und Ausgestaltung haben (Nr. 96 - 98).
Die Herausforderung wird darin bestehen, die während der Synode erarbeiteten Ideen und Diskussionen in die Praxis nachhaltig umzusetzen. Die Fähigkeit, die Teilnehmenden und die breite Gemeinschaft in diesen Prozess einzubeziehen, wird entscheidend sein, um die erarbeiteten Themen und Anliegen in das tägliche Leben der Kirche zu integrieren und somit eine echte Veränderung zu bewirken.
Was ist ein Instrumentum Laboris?
Ein «Instrumentum Laboris» dient als Grundlage für die Diskussionen und Überlegungen der Teilnehmer:innen. In diesem Dokument werden zentrale Themen, Fragen und Herausforderungen behandelt, die während der Synode diskutiert werden sollen. Es ist in der Regel das Ergebnis eines Konsultationsprozesses und wird aus den Rückmeldungen und Beiträgen von Klerikern und nicht-Geweihten Menschen, die am kirchlichen Leben mitwirken, erstellt. Das «Instrumentum Laboris» soll den Synodalen helfen, sich auf wichtige Themen zu konzentrieren und eine gemeinsame Basis für die Gespräche zu schaffen. Es ist kein endgültiges Dokument, sondern ein lebendiges Arbeitsinstrument, das während der Synode weiterentwickelt und angepasst werden kann.
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