Frauen erobern europäische Kontinentalsynode
Der Synodale Prozess geht in die kontinentale Phase. Andante, die Europäische Allianz katholischer Frauenverbände, und der weltweit agierende Catholic Women's Council haben sich der Interessenvertretung von Frauen an der europäische Kontinentalsynode verschrieben. Dort wollen die zwei Organisationen die Anliegen und Forderungen von Frauen einbringen. Katholikinnen aus ganz Europa organisieren sich, um das Schicksal der katholischen Kirche in die Hand zu nehmen.
Von September 2022 bis März 2023 finden weltweit, auf kontinentaler Ebene Gespräche über die Erneuerung der katholischen Kirche statt. Die synodale Versammlung Europas tagt vom 5. bis zum 12. Februar 2023 in Prag, Tschechien. Grundlage ist ein Arbeitsdokument, welches auf den nationalen Synodenberichten basiert. Im 49-seitigen Schreiben sind die Berichte von weltweit 112 der 114 Bischofskonferenzen sowie der 15 katholischen Ostkirchen zusammengefasst.
Ermächtigt Einfluss nehmen
Im Rahmen eines ersten virtuellen Austauschtreffens europäischer Frauen, das Andante, die Europäische Allianz katholischer Frauenverbände, am 28. November und der Catholic Women’s Council CWC auf die Beine stellten, wurde das Arbeitspapier kritisch gewürdigt. Die Passagen, die Frauen besonders betreffen, wurden in zwei Referaten analysiert und von den rund 140 Teilnehmerinnen lebhaft in Gruppen diskutiert. Unter ihnen waren auch Frauen, die als Delegierte ihres Landes an der europäischen Kontinentalsynode teilnehmen werden. Am 12. Januar 2023 findet ein zweites Webinar statt.
Die Stimmen der Frauen
Das erste Webinar am 28. November hatte das Ziel, Funktionsträgerinnen katholischer Frauenorganisationen, Theologinnen und andere interessierte Frauen miteinander zu vernetzen und das Arbeitspapier zu diskutieren. Um Einfluss nehmen zu können, sei eine Kenntnis der Dokumente unabdingbar, so Sabine Slawik, Vizepräsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbunds KDFB und Co-Präsidentin von Andante. Gemeinsam mit ihrer britischen Andante-Co-Präsidentin, Sophie Rudge vom Britischen National Board of Catholic Women, sorgt Slawik dafür, dass die in den beiden Treffen gesammelten Anliegen in Form eines Reports an die europäischen Delegierten und das Synodenbüro im Vatikan übergeben werden. Hierzu ist Andante mit dem CWC eine Partnerschaft eingegangen. Der CWC, ein globales Netzwerk von mehr als 60 katholischen Frauenorganisationen, die sich für die volle Anerkennung der Würde und Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche einsetzen, wurde vom Synodenbüro des Vatikans eigens dazu aufgefordert, die Anliegen von Frauen in der kontinentalen Phase der Weltsynode sichtbar zu machen, so Dr. Regina Franken, Deutsche Vertreterin der CWC-Geschäftsleitung. Der CWC koordinierte bereits von März bis Juni 2022 weltweit Gesprächs- und Diskussionsveranstaltungen. Die eindrücklichen Ergebnisse sind im CWC-Synodenbericht dokumentiert, der auch Empfehlungen und Forderungen beinhaltet. Am 4. Oktober 2022 wurde der CWC-Bericht dem Vatikan überreicht.
Who is Who der katholischen Frauenbewegung
In wohlklingendem britischen Englisch begrüsste Sophie Rudge die Teilnehmerinnen der Zoom-Veranstaltung, die dank hervorragendem technischen Support seitens des CWC und von Dolmetscher:innen simultan in fünf Sprachen übersetzt wurde. Um sich einzustimmen, sprachen die rund 140 Anwesenden gemeinsam auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch ein Gebet – pro Sprache eine Strophe. Auf den Kacheln des Zoom-Meetings hörten auch viele bekannte Gesichter aus der Schweiz aufmerksam zu, darunter Franziska Zen-Ruffinen (Frauenrat der Schweizer Bischofskonferenz, Irene Gassmann (Priorin Kloster Fahr), Vroni Peterhans (Weltgebetstag Schweiz), Corinne Zaugg (Unione Femminile Cattolica Ticinese), Claire Renggli (Gründungsmitglied von Andante), Christiane Talary (Katholischer Frauenbund Zürich), Tatjana Disteli (Aargauer Landeskirche) und Helena Jeppesen-Spuhler (Fastenaktion). Die zwei zuletzt genannten vertreten gemeinsam mit Cristina Vonzun (catt.ch) und dem Basler Bischof Felix Gmür die Schweiz an der europäischen Kontinentalsynode. «Vom Synodalen Prozess erhoffe ich mir Gleichberechtigung der Frauen in der katholischen Kirche und mehr Frauen in Entscheidungspositionen. Weil diese weitgehend an Weiheämter geknüpft sind, müssen wir auch über den Zugang von Frauen zu diesen diskutieren. Sobald es mehr Frauen in Führungspositionen und Ämtern haben wird, wird sich die Kirche verändern», ist Helena Jeppesen-Spuhler überzeugt.
«Mach den Raum deines Zeltes weit» (Jes 54,2)
Anja Appel, Leiterin der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission in Wien, führte poetisch und politisch durch das Arbeitspapier der europäischen Kontinentalsynode und nahm eine Einordnung vor. Das im Dokument verwendete Sinnbild des Zeltes aus Jesaja 54,2 griff die Politologin wortgewaltig auf und fragte danach, wie die Pflöcke, Stricke und Tücher dieses Zeltes beschaffen sein müssten, damit es schütze, nähre und Spannungen aushalte. In Breakout-Rooms diskutierten die Teilnehmerinnen anschliessend folgende Fragen:
- Wer sollte unserem Zelt beitreten dürfen?
- Welche Veränderungen müssen vorgenommen werden, um unsere Kirche einladender und attraktiver zu machen?
- Was ist das wichtigste Thema, mit dem sich die Kirche in der heutigen Welt befassen muss?
SKF-Präsidentin Simone Curau-Aepli leitete die Diskussion innerhalb der deutschsprachigen Gruppe. Die Frauen erörterten das ungleiche, klerikale Machtgefüge der katholischen Kirche. Zu lange hätten die Frauen gesprochen und die Geistlichen zugehört. «Ich brauche kein Zuhören, wenn meinen Worten keine Taten folgen», so eine der Frauen.
Von mächtigen Männern und ermächtigten Frauen
Macht- und Gewaltenteilung kristallisierte sich schnell als zentrales Thema heraus. «Konzentrieren wir uns auf die Behebung der ungleichen Machtverteilung, schaffen wir die Grundlage, um alle anderen Missstände anzugehen, denn erst dann ist echte Teilhabe möglich», so eine der Teilnehmerinnen. Bisher hätten stets Männer entschieden, was für Frauen gerecht sei. Sie hätten die Definitionsmacht und das müsse sich ändern, so der Tenor. Der Begriff der Macht wurde aber auch kontrovers diskutiert, schliesslich ginge es um die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen, also eher um das Teilen von Macht, das Aufweichen des Machtmonopols. Einigkeit bestand darin, dass es keinesfalls um Macht um der Macht willen ginge, sondern um die Übernahme von Verantwortung am Reich Gottes. «Frauen sind zu bescheiden und scheuen die Macht», bedauerte eine der Anwesenden. Sie seien jahrhundertelang klein gehalten worden, indem man ihnen die gleiche Würde zugestand, aber unterschiedliche Kompetenzen daraus ableitete. Die jüngsten Äusserungen des Papstes zur Frauenordination bewiesen das ebenso traurig wie unmissverständlich. Die Charismen, Berufungen und der Gestaltungswille von Frauen müssten endlich vollumfänglich in die Kirche eingegliedert und die Kirche allgemein inklusiver werden, so das Fazit der ersten Veranstaltung.
Antrag auf Beteiligung von Bischöfen abgeschmettert
Der Rat der europäischen Bischofskonferenzen (Consilium Conferentiarum Episcoporum Europae, CCEE), der Zusammenschluss der Präsidenten der römisch-katholischen Bischofskonferenzen in Europa, hat 50 zusätzliche Plätze an der europäischen Kontinentalsynode reserviert. Diese gehen nicht an nationale Delegierte, sondern an Hilfswerke und anderen Organisationen. Ursprünglich wollte Andante als Organisation, die über 1 Million katholische Frauen in Europa repräsentiert, an der europäischen Kontinentalsynode über einen solchen Platz Einsitz nehmen. Der wenig nachvollziehbare Entscheid des CCEE lautet: Nein. Die Begründung? Andante sei nicht repräsentativ genug. Auf ein Nachhaken danach, nach welchen Kriterien dies definiert werde, erhielt Andante bis heute keine Antwort.
Wo ein Wille, da ein Weg
Schnell war klar, dass die Interessenvertretung von Frauen an der europäischen Kontinentalsynode also auf anderem Wege stattfinden müsse. Die Erkenntnisse seiner ersten Veranstaltung werden in einem Report zusammengefasst und an der zweiten Veranstaltung im Januar abschliessend diskutiert werden. «Wir laden alle delegierten Frauen der Synode zu unserem zweiten Treffen ein, um ihnen zu sagen, was uns wichtig ist und um zu erfahren, wie sie sich auf Prag vorbereiten», so Sabine Slawik.
Zeitgemässe Lobbyarbeit und Gebet
Andante und CWC werden sich im Namen ihrer Mitglieder an der Synode Gehör verschaffen. «Es ist wichtig, dass ihr bei euren nationalen Bischofskonferenzen nachfragt, welche Frauen in die jeweiligen nationalen Delegationen der europäischen Kontinentalsynode gewählt wurden und Andante diese Informationen zugänglich macht», ermutigt Sabine Slawik zum Abschluss der ersten Veranstaltung. Andante und CWC werden die Delegierten zum zweiten Treffen am 12. Januar 2023 einladen und sie für die Anliegen der europäischen Frauen sensibilisieren. Der geplante Report, der ihnen mitgegeben werde, die Vernetzung von Frauen und das Bemühen um den gemeinsamen Austausch im Vorfeld der europäischen Kontinentalsynode, beweisen strategisches Geschick. «Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen. Sie bekommen nichts!» zitiert SKF-Präsidentin Simone Curau-Aepli die französische Philosophin Simone de Beauvoir auf die Frage danach, was sie sich von dem Vorgehen erhoffe. Seit Jahrzehnten forderten katholische Frauen Gleichberechtigung. Mit dem Synodalen Prozess erhielten sie die Möglichkeit, unmittelbar auf kirchenpolitische Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen. Auch das gehöre zu den vielen Aufgaben katholischer Frauenorganisationen, so die Thurgauerin.
Synodaler Prozess
Im Herbst 2021 startete weltweit der dreistufige Weg zur Synode 2023/24. Auf allen Kirchenebenen und unter Einbezug aller Getauften finden weltweit Gespräche statt. Der SKF mischt mit.
«Das Wichtigste ist, dass wir Frauen mit Stimm- und Rederecht bei der nächsten Etappe des Synodalen Prozesses, der Weltsynode 2024, dabei sind. Der jetzige Schritt für die kontinentale Ebene ermutigt hier etwas», findet Sabine Slawik.
«Das Arbeitsdokument für die Kontinentalsynode zeigt, dass die Anliegen der Schweizer Kirche bezüglich des Zugangs von Frauen und verheirateten Männern zu den Weiheämtern weltweit abgestützt sind. Das Killerargument, dass die Forderung nach Gleichberechtigung ein westliches Phänomen sei, ist somit ungültig», so Helena Jeppesen-Spuhler, Schweizer Delegierte der europäischen Kontinentalsynode.
Der Schweizerische Katholische Frauenbund gehört sowohl bei Andante als auch beim Catholic Women’s Council CWC zu den Gründungsmitgliedern. «Es war der SKF, der an der Andante-Generalversammlung den Antrag stellte, beim CCEE Einsitz an der Kontinentalsynode zu beantragen. Im Trägerverein des CWC ist der SKF auch vertreten und sorgt so für die nötigen Strukturen, Organisationsentwicklung und finanzielle Mittel, damit der Catholic Women’s Council international agieren kann» erklärt SKF-Präsidentin Simone Curau Aepli die Rolle des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds.
Der Catholic Women's Council (CWC) ist ein globales Netzwerk von mehr als 60 katholischen Frauenorganisationen, die sich für die volle Anerkennung der Würde und Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche einsetzen. Der SKF gehört zu den Gründungsmitgliedern. Dem Aufruf von Papst Franziskus zur Synodalität folgend, hat der CWC einen Prozess des Zuhörens, der Diskussion und der Reflexion eingeleitet, damit die Bischöfe die Stimmen von Frauen aus aller Welt hören. Am 4. Oktober 2022 wurde der CWC-Synodenbericht dem Vatikan überreicht.
Save the date
Am 12. Januar 2023 um 18 Uhr MEZ findet das zweite Webinar zur europäischen Kontinentalsynode statt. Andante und der CWC laden interessierte Frauen herzlich dazu ein.
Helen Jeppesen-Spuhler, Mitglied der Schweizer Delegation für die kontinentale Synode in Prag, wird an diesem Webinar teilnehmen. Andante und der CWC rufen die Teilnehmerinnen dazu auf, sich an ihre nationalen Bischofskonferenzen zu wenden und zu erfragen, welche Frauen als Mitglieder der nationalen Delegationen an der europäischen Kontinentalsynode teilnehmen werden. Nationale Delegierte sind herzlichst eingeladen.
Namen und Kontaktdaten der Delegationsmitglieder der jeweligen Länder nimmt Helena Jeppesen-Spuhler gerne unter jeppesen@fastenaktion.ch entgegen.
1 Kommentar
Kommentar schreibenDie Frauenausgrenzung in der Kirche hat nach meiner Überzeugung oft Ursachen in der persönlichen Biographie von Päpsten: https://hanglberger-manfred.de/johannes-paul-ii-lebenslauf.htm