Home Aktuelles Eine Frage der Ehre
News 04.02.2025 | Gerechtigkeit – Kirche

Eine Frage der Ehre

Die Allianz Gleichwürdig Katholisch und die Betroffenenorganisation IG-M!kU kritisieren das Bistum Basel für die Ernennung des ehemaligen Untersuchungsleiters im «Fall Nussbaumer» zum Ehrendomherrn an sich.

 

 

Ein Domherr, der jüngst zum Ehrendomherr wurde, hat sich ganz und gar nicht ehrenhaft verhalten. In seiner Funktion als Untersuchungsleiter des Bistums Basel beging er gravierende Fehler im Umgang mit einem Missbrauchsfall. Als junges Mädchen wurde die Frau, die unter dem Pseudonym Denise Nussbaumer ihre Identität schützt, in den Neunzigerjahren als Minderjährige von einem Priester missbraucht. Als dieser 2019 wieder den Kontakt zu ihr suchte, wandte sich Nussbaumer an das Bistum Basel. Die problematische Reaktion des Bistums hat für viel Aufsehen gesorgt und kulminierte in öffentlichem Entsetzen, als das Vorgehen des Untersuchungsleiters öffentlich wurde.

Wer sind Domherren?

Das Domkapitel im Bistum Basel ist ein aus Geistlichen bestehendes Gremium, das eine zentrale Rolle in der Führung des Bistums spielt. Es setzt sich aus den Domherren zusammen, die vom Bischof ernannt werden. Das 18-köpfige Gremium wählt den Bischof und unterstützt ihn in der Leitung des Bistums. Das Domkapitel unterstützt und berät den Bischof in seiner Leitung des Bistums. Laut Statuten des Bistums Basel «steht es dem Diözesanbischof nach Rücksprache mit dem Domkapitel zu, Ehrendomherren zu ernennen. In aller Regel wird diese Ehre zurückgetretenen Domherren zuteil.»

Aufklärung erst nach journalistischem Druck

Der «Beobachter» deckte im August 2023 erhebliche Mängel in der kirchenrechtlichen Behandlung des Falls auf. Im Mittelpunkt stand der Domherr, der als Offizial den Fall juristisch fehlerhaft bearbeitet hatte, was später von internationalen Kirchenrechtlern bestätigt wurde. Erst auf Druck des «Beobachters» meldete Bischof Felix Gmür den Fall nach Rom. Obwohl der Untersuchungsleiter dazu verpflichtet gewesen wäre, leitete der er den Fall nicht an Rom weiter. Zudem schickte er dem mutmasslichen Täter die Adresse sowie persönliche Unterlagen des Opfers, darunter Tagebuchnotizen aus der Zeit der Übergriffe. Erst auf Druck des «Beobachters» meldete Bischof Felix Gmür den Fall nach Rom. Später bat er um Entschuldigung für die «Verfahrensfehler». Der Vatikan reagierte im März 2024 mit einer offiziellen Rüge.

Eine Frage der Ehre

Für den zuständigen Untersuchungsleiter und Domherrn hatte der Fall keine Konsequenzen. Stattdessen wurde er dennoch zum Ehrendomherrn ernannt. Die Titelverleihung «Ehrendomherr» passiere im Bistum Basel automatisch. Nach dem Rücktritt werden Domherren automatisch zu Ehrendomherren ernannt und in einer Zeremonie als Ehrendomherren gewürdigt. Der Basler Bischof Felix Gmür hat nach öffentlicher Kritik beschlossen, auf die Würdigung seines ehemaligen Untersuchungsleiters im Rahmen der Feier Ende Februar 2025 zu verzichten. Die Ernennung zum Ehrendomherr ist dennoch erfolgt und wird vom Bistum als Automatismus dargestellt.

Die Allianz Gleichwürdig Katholisch und die IG-M!kU (Interessengemeinschaft für Missbrauchsbetroffene im kirchlichen Umfeld) fragten im August 2024 das Bistum Basel, wie derartige Automatismen, Personalentscheide und Ernennungen getroffen werden, vor allem im Zusammenhang mit Fehlern bei der Handhabung von Missbrauchsfällen und wiederholten ihre Fragen im Februar 2024. Dass der Untersuchungsleiter im Fall «Denise Nussbaumer» nun lediglich nicht öffentlich gefeiert, aber dennoch Ehrendomherr werde, zeugt von mangelndem Gespür für die Symbolik dieser Geste und von fehlender Sensibilität allgemein. Es zeigt auch, dass die von der AGK und IG-M!kU gestellten Fragen nicht richtig verstanden wurden. Für die Betroffenen wirkt die Ernennung im Stillen zudem wenig einfühlsam und bekundet wenig Sensibilität für ihre Situation.

Fehlende Glaubwürdigkeit

Im gemeinsamen Schreiben an Bischof Felix und Generalvikar Markus Thürig betonen die AGK und die IG-M!kU, dass die katholische Kirche nicht glaubwürdig auftreten kann, wenn nicht auch in der Leitung und in der Kommunikation ein Wandel stattfindet. Bei Personalentscheiden, wie in diesem Fall, begleitet die AGK und die IG-M!kU zudem die Sorge um Retraumatisierung von Betroffenen, die möglichst vermieden werden muss.

Im Brief wurden zudem folgende 5 Fragen gestellt:

  1. Werden vergangene Fehler (Fehlentscheidungen) in Bezug auf die Bearbeitung von Missbrauchsfällen in Personalentscheiden miteinbezogen? Haben sie Konsequenzen? 
  2. Wird die Perspektive von Betroffenen von Missbrauch im kirchlichen Umfeld, insbesondere die Perspektive der direkt Betroffenen, die unter den entsprechenden Fehlentscheiden leiden, in Personalprozessen mitgedacht?
  3. Werden die Betroffenenorganisationen oder die direkt Betroffenen, die unter dem entsprechenden Fehler leiden, im Vorfeld solcher Personalentscheide benachrichtigt?
  4. Werden gegenüber den Betroffenen und Betroffenenorganisationen solche Personalentscheide nachvollziehbar begründet?
  5. Wie wird der angestrebte Kulturwandel in Personalentscheiden berücksichtigt? Insbesondere in Personalentscheiden, die einen «automatisierten» Charakter haben?

Reaktion zeigt fehlendes Verständnis

Bischof Felix hat in einem Brief auf die Anfrage der AGK und der IG-M!kU Stellung bezogen. Er hat darauf verwiesen, dass es in den Statuten des Domkapitels Usus sei, dass Domherren mit ihrem Austritt aus dem Domkapitel zu Ehrenddomherren ernannt werden. Leider wurden aber die 5 gestellten Fragen nicht beantwortet. «Für einen echten Kulturwandel müssen die Prozesse hinterfragt und angepasst werden. Das Nicht-Feiern ist nur kosmetisch und zeigt, dass unsere Fragen und Bedenken nicht ernst genommen werden.» sagt Vreni Peterer, Präsidentin der IG-M!kU.

Die AGK und die IG-M!kU erwarten weiterhin, dass die 5 Fragen zum Prozess von Personalentscheiden und Ernennungen vom Bistum Basel beantwortet werden. Auch werden beide Organisationen weiterhin beobachten, wie der gewünschte Kulturwandel im Bistum Basel und in der Kirche Schweiz anvisiert wird.

Allianz Gleichwürdig Katholisch

Die Allianz Gleichwürdig Katholisch (AGK) engagiert sich für eine gleichberechtigte, glaubwürdige und solidarische römisch-katholische Kirche. Die AGK ist eine gesamtschweizerische, reformkatholische Organisation und versteht sich als offene Projektgemeinschaft. Der Frauenbund gehört zu den Mitgründer:innen und zur Trägerschaft der AGK. In der AGK sind Einzelpersonen, Organisationen, Initiativen und Verbände mit dem gleichen Ziel verbunden. Sei auch du dabei und werde Teil der Veränderung.

0 Kommentare

Kommentar schreiben